Ahoy, ihr Süsswasserpiraten und Drachenjäger

Wie gut es sich anfühlt, wieder festen Boden unter den Füssen zu haben! Ich war vier Tage auf hoher See, mit dem Schiff unterwegs in den Archipeln rund um Nusa Tenggara. Nach dem ich mich einen Tag von den Strapazen am Mount Rinjani erholt habe, ging es auch schon wieder weiter. Ich habe eine viertägige Reise mit dem Schiff gebucht, welches mich von Lombok weiter ostwärts führen soll, vorbei an allerlei kleinen Inseln, auf der Suche nach den legendären Komodo Dragon.
Frühmorgen wurde ich mit einigen anderen Landratten in den Bus verfrachtet und an den Hafen der Ostküste Lomboks gebracht. Hier lag es friedlich vor Anker: Mein Zuhause für die nächsten Tage, meine sichere Koje im blauen Ozean. Majestätisch lag er da, der kleine, kraklige Kutter. Komfort war leider nicht inbegriffen, denn ich habe Deckklasse gebucht, das heisst geschlafen wird draussen auf den Planken, Süsswasser oder Duschen gibt es keine. Aber einem echten Piraten macht das nichts aus!
So wurden alle nötigen Vorräte an Bord geschafft, die Segel gehisst und wir stachen in die See. Gemächlich pflügten wir uns in den Abendstunden durch die See von Banda, wo einst schon die Piraten der Molukken ihr Unwesen trieben und arabische Schiffe feine Gewürze transportierten.
In der Kombüse wurde schon bald ein Festmahl hergezaubert und für einmal gab es ausreichend zu Essen, während ich meine neuen Piratenkumpanen kennenlernte. Das kleine Holzschiff bestand aus zwei offenen Decks und einigen kleinen Kajütten für die wohlhabenderen Passagiere. Angetrieben wurden wir sowohl von Segeln als auch einem Motor. Nachdem ich mich versichert habe, dass das Schiff wenigstens über die grundlegendsten Sicherheitsvorkehrungen verfügt, sank ich schon bald in den Schlaf, da es in der Dunkelheit nicht mehr viel zu tun gab. Geschlafen habe ich allerdings mehr schlecht als recht, da die hauchdünnen Matten umbequem waren und der Wind rauh und unaufhörlich über das Deck hinweg fegte.
Aufgewacht bin ich zum Sonnenaufgang, den ich bequemerweise direkt aus der Liegeposition verfolgen konnte. Unterdessen waren wir bei einer kleinen Insel nördlich von Sumbawa angelangt, auf der es einen Wasserfall gab. Zusammen mit der restlichen Bordbesatzung schwamm ich an Land und wanderte durch die Mangroven, um mich dann mit Süsswasser aufzufrischen, welchs auf dem Boot leider spärlich vorhanden ist. Als nächstens halteten wir an einem kleinen Sandstrand um die Meerestiefen unter uns zu erkunden. Ausgerüstet mit Schnorchel und Taucherbrille jagte ich kleinen Fischschwärmen hinterher und untersuchte merkwürdige Korallenformationen. Zu meinen nächsten Matrosenfreunden zähle ich zwei Deutsche und einen Australier, mit denen ich mich musikalisch und auch sonst bestens verstehe. Nach dem Badespass ankerten wir in einer Bucht vor einem Hügel mit Aussichtspunkt, von dem wir die abertausenden kleiner Inseln am Horizont und das tiefblaue Meer bestaunten.
Nach der Rückkehr an Bord kippte das Wetter und die See wurde immer rauher. Nun trennte sich die Spreu vom Weizen, respektive die Süsswasserpiraten von den echten Seefahrern, denn uns standen schwierige Stunden bevor. Das Schiff schaukelte unaufhörlich und richtig stark, so dass es nicht lange dauerte, bis mir richtig übel war. Bei jeder Welle schnellte das Schiff nach oben und prallte wieder nach unten in die Wogen. Was war ich doch für ein Badewannenpirat! Meine nautische Karriere hatte ihren Höhepunkt auf einem Gummibötli, irgendwo in ruhigen Tümpeln des Züri Oberland, nicht aber auf hoher See. Ich bin scheinbar nicht sonderlich seetauglich, alle andern allerdings auch nicht. Den Nachmittag verbrachte ich liegend, da dies die einzige Position war, in der ich das Schaukeln einigermassen ertrug. Lesen ging auch nicht, so hörte ich Musik, was mein Körper am besten zu ertragen schien.
Das Abendessen gestaltete sich als Herausforderung in vielerlei Hinsicht: Stets konzentriert, dass mein Mageninhalt da blieb wo er hingehörte, schwankte ich mit den anderen hilflosen Gestalten zum Unterdeck, auf dem die Mannschaft verzweifelt versuchte, die Töpfe an Ort und Stelle zu halten. Wie man bei diesem Geschaukel kochen soll, kann ich mir nicht vorstellen. Als nächstes folgte die akrobatische Übung des Tellerbefüllens, welche meinem Gleichgewichtssinn alles abforderte. Vorsichtig setzte ich mich hin und ass konzetriert Löffel für Löffel Reis, stets bedacht, dass die Nahrung nur in den Bauch wandert, nicht wieder heraus.
Nach dem Essen übergab sich rund die Hälfte aller Reisenden, ich bin verschont geblieben. Doch es blieb uns nichts anderes übrig, als ins Oberdeck zu wechseln, wo das Schaukeln etwas schwächer war, und uns hinzulegen. So lagen um sieben Uhr alle schon im Bett und die georderten Bierflaschen blieben unberührt. Die See tobte nun noch heftiger und ich klammerte mich an mein Kissen und beobachtete abwechslungsweise Sternenhimmel und Meeresboden. Es fühlte sich an wie vierundzwanzig Stunden Achterbahn fahren. In der Hoffnung, dass der nicht allzu modern wirkende Kutter nicht kentern wird, wurde ich irgendwann in den Schlaf geschaukelt, der erstaunlicherweise besser war als in der ersten Nacht.
Am nächsten Morgen war die See wieder lau und wir glitten langsam durch die Wogen, begleitet von Delfinen, welche der tiefroten Morgensonne entgegensprangen. Heute stand der Komodo Nationalpark auf dem Programm, die Hauptattraktion, die Raison d’Être des ganzen Unternehmung. Auf den Inseln Komodo und Rinca hausen grausige Kreaturen, gefürchige Monster, von denen schon die frühen Expeditionen ehrfürchtig berichteten: Die Komodo Dragons, die Komodowarane von Indonesien. Die bis zu drei Meter langen Echsen sind die grössten ihrer Art und nur hier zu finden. Und zimperlich sind diese nicht: Sie fressen alles was sie finden: Füchse, Rehe, Hirsche, ganze Wasserbüffel, Parkranger und sogar ihre eigenen Neugeborenen. Sie sehen aus wie eine Mischung aus Schlange und Krokodil, wie überdimensionierte Geckos und scheinen direkt aus der Zeit der Dinosaurier zu kommen. Als wir in Komodo an Land gingen, fühlte ich mich ein wenig wie in Jurassic Park.
Begleitet wurde unsere Gruppe von acht Parkrangern und ich hielt mich stets in Schutzreichweite eines solchen auf. Die Parkwächter waren mit langen Stöcken bewaffnet. Stöcken? Ich hatte gehofft, sie hätte Raketenwerfer oder etwas Ähnliches dabei, wie soll ich mit einem Holzstöckli vor den Bestien bewahrt werden, die schneller rennen können als jeder Mensch? Sogar James Bond musste sich im neusten Bondstreifen gegen einen Komododrachen behaupten, aber der hatte zumindest eine Pistole dabei. Im Eingangsbereich des Parks tummelten sich dutzende von Rehen und Hirschen herum, die wohl auch auf die Schutzwirkung der Holzstöckli vertrauten.
Die Wanderung war dann ziemlich ernüchternd, da wir nur einen einzigen, höchst faulen Komodowaranen zu Gesicht bekamen, der kein grosses Interesse hatte an den nervtötenden, belgischen Kindern vom Boot, welche wir zur Opferung vorgeschlagen haben. Wir wurden (wer hätt’s gedacht) frühzeitig in den Souveniershop geführt und befanden uns schon bald wieder an Border der Kencana, in der Hoffnung morgen auf mehr Drachen zu stossen. Ausnahmsweise blieb die Nacht ruhig und schaukelfrei und so konnten wir uns in einer gemütlichen Runde einige Bier und Rum (Piraten trinken schliesslich Rum!) gönnen. Zwischendurch hielten wir für diverse Schnorchel- und Badestopps an und schwammen in dem türkisblauen Wasser und sprangen vom Schiffsbug.
Auf Rinca Island hatten wir mehr Glück und begegneten drei, vier verschiedenen Komodowaranen, die stolz durch die Gegend schlurften. Hin- und wieder wechselten sie die Richtung und steuerten direkt auf die Gruppe zu, welche mit kurzem Aufschrei zurückwich und die nervösen Guides auf den Plan riefen, welche versuchten, die übermütigen Touristen zurück zu halten. Für ein gutes Foto wagten sich einige ein bisschen sehr nahe an die Biester heran. Zum feierlichen Abschluss setzten die drei Echsen zum Paarungsakt an, bei dem sie sich von den vierzig Zuschauern überhaupt nicht gestört fühlten.
Zurück an Bord steuerten wir schon bald den Hafen in Labuan Bajo an. Es stand zur Option, für eine vierte Nacht kostenlos auf dem Boot zu bleiben, aber als die Kecana am Pier anlegte, waren die meisten einfach nur froh, wieder festen Boden unter den Füssen zu haben.
Nun bin ich am westlichen Zipfel von Flores, Der Gewürzinsel im Osten von Indonesien, welche die Portugiesen einst nach ihrer Blumenpracht und Schönheit benannten. Unterdessen habe ich mir zusammen mit den anderen Schiffsbrüchigen aus Deutschland und Australien ein schönes Zimmer mit Süsswasser und eine Pizza gegönnt. Pizza ist meine neue Universalbelohnung nach strapazierenden Tagen und zehn “Nasi Goreng/Mie Goreng” Mahlzeiten. Gerne würde ich die Landstriche noch weiter bereisen, doch morgen fliege ich bereits zurück nach Bali, um rechtzeitig auf Duro zu treffen. Von da geht unsere Reise dann weiter.

Ich freue mich immer riesig auf deine Storys und auch jetzt musste ich mehrmals laut auflachen beim Lesen. Du schreibst so erfrischend. Aber die Bilder sind für die Daheimgebliebenen eine einzige riesige Herausforderung… schaue sie mir vor dem Einschlafen nochmals an, dann kann ich vielleicht davon träumen