Nächste Haltestelle: Yogyakarta, das kulturelle Zentrum von Java

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Mit unserem einzigartigen Schlafrhytmus sind wir bereits um vier Uhr morgens aufgewacht und sassen in der Lobby unseres Hostels, als uns ein älterer indonesischer Herr Gesellschaft leistete, der erstaunlich gut Englisch sprach. Bis zum Tagesbeginn haben wir mit ihm ausführlich über Indonesien, Politik, Gott und die Welt diskutiert, was sehr spannend und informativ war. Selbst über heiklere Themen wie Religion und Sex konnten wir reden.

Um Acht Uhr begaben wir uns per Petak zum Bahnhof, wo wir erstaunlich problemlos ein Zugsticket nach Yogyakarta buchten. Verhältnismässig haben wir ein 1. Klasse Ticket gekauft, was sich durch die Anwesenheit einer Klimaanlaage auszeichnet. Wir suchten unsere Plätze und setzten uns in den mobilen Gefrierschrank, in welchem wir gut eingepackt unsere 8-stündige Fahrt nach Osten begannen. Die Reise führte durch malerische Landschaften, endlose Reisfelder und Slum Siedlungen.

 

Mit üblicher zweistündiger Verspätung kamen wir abends in Yogyakarta an, einst das Machtzentrum von Java und heute das kulturelle Zentrum, eine mittelgrosse, schöne Studentenstadt. Hier ist alles etwas gelassener als in Jakarta und auch etwas kühler, das heisst es braucht etwa 30 Sekunden länger, bis einem der Schweiss herunterläuft.

In einem Quartier kleiner verworrener Gassen hat es unzählige günstige Hostels (hier heisst das “Losmen”), welche meist ausgebucht waren. Wir haben dann doch ein gemütliches Zimmer gefunden. Der Eingang führ direkt durch das Wohnzimmer der ansässigen Familie. Hier grinst uns jeweils das 1.40m kleine, alte Mütterchen an, wenn wir nach Hause kommen und leider die halbe Familie aufwecken, die vor der Eingangstüre liegt.

Wir haben für den nächsten Tag gleich einen Ausflug zu den lokalen Sehenswürdigkeiten, sprich Tempeln gebucht. Da diese bei Sonnenaufgang am schönsten seien, haben wir uns überreden lassen, morgens um vier zu starten. Das lag ja passend in unserem Rhytmus. Gut unausgeschlafen tuckerten wir am Morgen auf einen Hügel, um Borobodur, den grössten buddhistischen Tempel der Welt, im Sonnenaufgang zu bestaunen. Dieser entschied sich leider just bei Sonnenaufgang, sich lieber im Nebel zu verstecken. Aber wir konnten zumindest in der Ferne die Flanken der riesigen Vulkane erahnen. Danach ging es weiter zum Tempel selbst, ein riesiges Bauwerk aus dem 8. Jahrhundert. Zusammen mit einer Million Anderer, meist lokalen Touristen und Schulklassen kraxelten wir auf dem monumenalen Steinhaufen herum. Wieder einmal waren wir die Hauptattraktion und mussten für dutzende Fotosessions bereit stehen und mit den  Schülern Englisch üben. Ich glaube wir beginnen bald, Geld für die Fotos zu verlangen, das wäre eine sichere Quelle, unsere Reise zu finanzieren.

Der nächste Stop war der hinduistische Tempel Prambanan, der sich architektonisch sehr von Borobodur unterscheidet und mich stark an Angkor Wat in Kambodscha erinnerte. Unsere Tempelenergie war schon niedrig und nach dem nächsten Überfall der Schülerhorden versteckten wir uns im Museum.

 

 

Zurück zu Hause haben wir erst einmal geschlafen und uns abends zum Nachtessen mit unseren neuen Reisekumpanen aus Kanada, Finnland und Holland verabredet. Nach dem Essen begaben wir uns in die Bar “Lucifer”, die hier unbehelligt in einem muslimischen Land stehen darf. Eine Bar weiter wurden wir von einer ausgezeichneten Liveband überrascht, welche eine wirklich grandiose Show bot und die Top 100 der Rock Evergreens bestens beherrschte. Die Musik war so laut, das es sogar das allgegenwärtige Gejaule der Muhezzins übertönte. Allah vs. Axel Rose, quasi. Ich finde es spannend, wie viele gegensätzliche Dinge in diesem Land scheinbar ohne Probleme miteinander auskommen.

Als die Band in den nächsten Club zog, sind wir ihnen wie Groupies gefolgt und konnten trotz gross ausgeschildertem Flip-Flop und Kurze-Hosen-Verbot passieren. Dort haben noch lange weiter gefeiert. Als der unersättliche Muhezzin seine Arbeit frühmorgens wieder aufnahm und die Allaaaaaah-Chöre über die langsam erwachende Stadt hallten wie das ferne Jaulen eines Wolfsrudels, lagen wir längst eingekuschelt in unsere nicht vorhandenen Decken und schlummerten friedlich.

 

 

Heute führen wir den Haushalt nach und sorgen für frische Wäsche und einen Reiseplan. Morgen ziehen die Gefährten weiter in den Osten zum Mt. Bromo, dem einsamen Vulkan.

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