Natur- und andere Katastrophen rund um den Krakatau

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Meine Reise neigt sich dem Ende zu und wir haben entschieden, die letzten Tage an der Westküste von Java zu verbringen. In den Westen der Insel verirren sich nur wenig Reisende, obwohl es einiges zu entdecken gibt, wie z.B. den berüchtigten Vulkan Gunung Krakatau. Von Borneo sind wir mit dem Flugzeug nach Jakarta geflogen und direkt wieder eingetaucht in den chaotischen Tumult der Grossstadt, die zu schnell wuchs als das sie ihrer Probleme Herr werden konnte.

Wir entschieden uns, gar nicht erst in das Stadtzentrum zu fahren, da dies aufgrund des Verkehrschaos schon eine Tagesreise für sich wäre. Stattdessen fuhren wir vom Flughafen direkt zum westlichen Busterminal, um der Megalopolis schnellstmöglich wieder zu entfliehen. Vor acht Wochen sass ich hier bereits mit Ivo im Bus eines lebensmüden Fahrers und das scheint eine javanesische Eigenheit zu sein, denn kaum sassen wir in einem Taxi, raste dieser los und quitschte mit 120km/h statt den erlaubten 40km/h über die Flughafenzufahrt. In dem lärmigen, geschäftigen Busterminal fanden wir wie durch ein Wunder den richtigen Bus und konnten einen erstaunlich vernünftigen Preis aushandeln.

Das Reisen mit dem öffentlichen Bus hat seinen Preis aber anderweitig, denn es ist heiss, langsam, rumplig und es gibt keine Gelegenheit Ruhe zu finden. Ich dachte immer, die Touristen werden von Strassenverkäufern belagert, doch die Einheimischen trifft es noch viel ärger. Während wir durch die Suburbs von Jakarta fuhren, sprangen ununterbrochen Verkäufer aller Art auf, die versuchten in Eilestempo ihren Krimskrams zu verkaufen, bevor der Bus zu weit davon fuhr. Zudem gesellten sich Strassenmusikanten dazu, die schräge Volkslieder trällerten, falsch auf der Gitarre spielten und auf die Sitze hämmerten. Dazu kurvte der Fahrer mit dem Riesencar um andere Strassenteilnehmer herum, als sässen wir in einem wendigen Sportwagen. Doch die Darbietungen waren sehr unterhaltsam und abenteuerlich und im Nu war die vierstündige Busfahrt um.

Wir landeten schlussendlich in Carita, einem ziemlich heruntergekommenen Dorf am Strand, welches allerdings schäbige Hotels mit erstaunlich teuern Zimmerpreisen vorwies. Wir lernten einen Deutschen und zwei Franzosen kennen, welche unbedingt den Krakatau Vulkan besuchen wollten, von dem ich so noch gar nichts gehört habe.

Scheinbar sollte man davon aber gehört haben, den der Gunung Krakatau steht auf der Topliste jedes Vulkanologen. Und das mit gutem Grund, da dessen Ausbruch einer der heftigsten Vulkanausbrüche der Neuzeit war. Die ganze Insel explodierte 1883 mit einer Kraft von mehreren tausend Atombomben, es schleuderte 20 km3  Gestein in die Luft und der Kollaps führte zu riesigen Tsunamis, bei dem 40m hohe Wellen alle Küsten in der Umgebung verwüsteten. Die Druckwelle wurde auf der ganzen Erdkugel gemessen und der Knall gilt als das lauteste, je registrierte Geräusch. 36’000 Menschen fanden dabei den Tod.

So viel unvorstellbare Superlativen wollten wir uns natürlich nicht entgehen lassen und wir suchten einen Weg, die Überbleibsel des einst mächtigen Vulkans zu besuchen. Die Insel ist nur mit dem Boot zu erreichen und das ist mit hohen Kosten verbunden. Fredi, unser deutscher Bekannter setzte die halbe Welt in Bewegung, um ein bezahlbares Boot aufzutreiben und am nächsten Tag fuhren wir frühmorgens zur Insel Krakatau, die es so eigentlich gar nicht mehr gibt. Denn da wo einst ein Vulkan stand ist heute nur blaues Meer. Aus den Tiefen des Meeres hat sich in den letzen Jahren allerdings ein neuer Vulkan gebildet, der Anak Krakatau, der jedes Jahr um einige Meter wächst und regelmässig wieder Asche und Feuer ausspuckt.

Wir landeten am Strand des Babyvulkans und die Idylle liess nicht darauf schliessen, dass hier je eine Katastrophe stattfand. Wir wanderten entlang eines malerischen Strandes und über lauschige Waldpfade in die Höhe, bis die Bäume von schwarzem Geröll verdrängt wurden und wir freie Sicht auf die unwirtliche Landschaft hatten. Wir strauchelten durch den losen Vulkansand, der von riesigen Kratern gepflügt und von tiefen Furchen durchzogen war. Abgebrannte, dorre Bäume markierten die trostlose Todeszone.

 

 

Einen Aufstieg zum Kraterrand wäre zu gefährlich, da diesem gefährliche Gase entweichen. Ohnehin war der letzte grosse Ausbruch erst vor zwei Jahren und ich stand auf frisch erkalteter Lava. Wir genossen die Aussicht auf die drei umliegenden Inseln, welche den kümmerlichen Rest der explodierten Vulkaninsel darstellten. Nach der Rückkehr zum Strand umfuhren wir den Vulkan mit dem Boot und schossen Bilder des bösen Bergs, dem auf der einen Seite eine tiefrote Zunge aus erstarrtem Magma aus dem Höllenschlund ragte. Der Vulkan war zwar ruhig, aber in meinem Endorphinhaushalt gab es aufgrund der Aussicht einige Erruptionen.

Nach einem Schnorchelstopp war es an der Zeit, die Rückreise anzutreten. Die Hinfahrt dauerte nur 1.5h doch die Rückreise sollte um einiges länger werden. Einer der Bootsmotoren war plötzlich ausgestiegen und so konnten wir nur noch mit halber Kraft fahren. Halbe Kraft – doppelte Fahrzeit. Dazu kam, dass das Wetter umschlug und sich der für rauhe See berüchtigen Sunda-Strasse gefährlich dunkle Wolken näherten. Die Wogen türmten sich immer höher auf und ich ahnte Böses. Unser kleines Vierplätzer-Motorboot wurde geschüttelt wie ein hilfloses Papierschiffchen und mit der gekappten Motorenleistung kamen wir kaum voran. Die Vulkaninsel wurde und wurde nicht kleiner und mir schien, als blieben wir an Ort und Stelle stehen. Als dann ein heftig peitschender Regen einsetzte war es dann vorbei mit der Heiterkeit und ich bekam es mit der Angst zu tun. Schliesslich habe ich zu wenig positive Erfahrungen mit den indonesischen Sicherheitsstandards gemacht, als dass ich mich beruhigen hätte können. Ein Funkgerät gab es logischerweise nicht und die erfolglosen Versuche der Crew, mit dem Handy ein Signal zu bekommen, waren wenig ermunternd. Immerhin gab es Rettungswesten. Ein weiterer Vorteil war, dass der Adrenalinausstoss die Seekrankheit verdrängte. Uns blieb nichts anderes übrig als zu warten und so schaukelten wir regendurchnässt im halbdefekten Boot und zählten die endlosen Minuten.

Irgendwann war der Vulkan nicht mehr zu sehen, allerdings war weit und breit auch kein Festland in Sicht und die Wellen schienen sich nicht legen zu wollen. Unser Guide grinste fortwährend und fand es überhaupt nicht schlimm, was mich zumindest ein bisschen beruhigen konnte. Als endlos später in weiter Ferne das Festland in Sicht kam, setzte auch schon die Dämmerung ein und die letzte Etappe fuhren wir in völliger Finsternis, denn Beleuchtung gab es auf dem Boot auch nicht. Als dann 300m vor der Küste auch noch das Benzin ausging, war die Katastrophenfahrt vollends zur Schreckensstory geworden. Von Hand pumpte der Franzose die letzten Tropfen Sprit in den Motor und wie durch ein Wunder erreichten wir doch noch die Küste. Welch Glück, dass der Treibstoff nicht schon eine Stunde vorher alle war. Noch nie war ich so froh, wieder festen Boden unter den Füssen zu haben und nachdem sich die Crew entschuldigend verabschiedete, assen wir gemeinsam zu Abend und glückwünschten uns gegenseitig zum Überleben.

Wir entschieden uns, dass dies definitiv die letzte Bootstour für eine Weile war und genossen die letzten Tage unserer Reise eher unspektakulär am Strand. Nach Abreise unserer Bekanntschaften waren wir zwei definitiv die letzten Bule’s (Langnasen, Bleichgesichter) in der Gegend. Da ich literarisch auf dem Trockenen war, fuhren wir ins nächstgrössere Dorf, in der Hoffnung frischen Lesestoff besorgen zu können, doch ausser indonesischen Koranversionen gibt es hier gar nichts zu lesen, geschweige denn auf Englisch. Alles hier ist dreckig, lärmig, heruntergekommen und schlammverschmiert. Doch für einmal fühle ich mich hier auch in einem sehr authentischen Indonesien. Hier ist nichts auf englisch angeschrieben und meine bisherigen Errungenschaften in der indonesischen Sprache waren sehr hilfreich. Das Wetter war wechselhaft und erstmals auf meiner Reise war es für mehrere Tage regnerisch. Doch es klarte wieder auf und wir konnten nun noch einmal richtig Sonne tanken, bevor es zurück in die Schweiz geht.

 

 

Am Wochenende verwandelte sich der so ruhige Strand schlagartig zu einer Pilgerstätte für indonesische Wochenendtouristen aus Jakarta. Busladungen mit Horden von Gästen bahnten sich den Weg in das kleine Dorf und der Strand war randvoll mit Indonesiern. Weit und breit waren wir die einzigen Westler und für die Urlauber eine grosse Attraktion. So war es schwierig, für einen Moment in der Sonne zu dösen, da unser Celebrity-Status leider die andauernde Bereitschaft für Fotosessions mit sich bringt.

Das war nun das letzte Kapitel dieser grossen Reise, denn nach unserer Erholung am Strand fahren wir morgen zurück in die Höhle des Löwen, in den urbanen Grossstadtdschungel von Jakarta. Dort füllen wir die restlichen Freiräume unserer Rucksäcke mit Souvenirs und treten die Heimreise in die Schweiz an. Es war eine wunderschöne, anstrengende, abenteuerliche Reise voller Erfahrungen und ich danke allen Lesern für eure positiven Rückmeldungen!

Bis zur nächsten Reise!

 

2 Kommentare für “Natur- und andere Katastrophen rund um den Krakatau

  1. Lieber Röbi,
    das war eine spannende Reportage!
    Ich habe Deine Abenteuer mit grossem Interesse verfolgt und bin froh, dass Du alle unversehrt überstanden hast!

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